Fastenpredigt von Bruder Alberto Onofri vom 18.3.2015 in der Kirche St. Michael  – Aschaffenburg

Liebe Schwestern und Brüder,

Warum hat sich die Franziskanische Gemeinschaft von Betanien vorgenommen, ein Ort für Familien zu sein?
Was können Familien in einem Kloster von Ordensbrüdern und Ordensschwestern lernen?

Um diese Fragen beantworten zu können, wollen wir ganz kurz die Geschichte der Gemeinschaft ansehen.
Unser Gründer, der noch lebt, heißt P. Pancrazio Gaudioso und ist ein Kapuzinerpater.
(Pater Pancrazio ist am 3. Januar 2016 heimgegangen in das Haus des Vaters./ Anmerk. der Redaktion).

In den Fünfzigerjahren wurde er geistliches Kind von Pater Pio von Pietrelcina. Im September 1959 bat Pater Pancrazio ihn in einem Gespräch: „Pater, du kennst bereits meine Zukunft, schreibe mir bitte ein Lebensprogramm“. Pater Pio erwiderte, er lasse ihm durch einen Mitbruder die Schrift zukommen. Einen Monat später hatte unser Gründer sein Lebensprogramm bekommen. Pater Pio hatte auf die Rückseite eines Heiligenbildchens mit der Darstellung der Heiligen Familie die folgenden Worte geschrieben:
,,Sei nicht so auf das Beschäftigtsein Marthas bezogen, dass du darüber Marias Schweigen vergisst. Die jungfräuliche Mutter, die sowohl die eine als auch die andere Aufgabe so gut miteinander in Einklang bringt, sei für dich sanftes Vorbild und Inspiration“. (20.10.1959).

Zu jener Zeit war unser Gründer noch ein Kapuzinerbruder, tätig in der Sakristei der Wallfahrtskirche in Loreto und an der Pforte des Klosters.

Nach Pater Pios Tod wurde Pater Pancrazio für viele geistliche Kinder ein geistlicher Ratgeber und Vater. Außerdem wurde unser Gründer auf den Rat  Pater Pios ganz kurz noch vor dessen Tod zum Priester geweiht.

In den schwierigen Zeiten nach dem II. Vatikanischen Konzil ahnte P. Pancrazio, dass das Geweihte Leben erneuert werden sollte. Er meinte, dass ein Kloster ein Treffpunkt für Laien sein sollte, die mit einer Ordensgemeinschaft das Zusammenleben und das Gebet erfahren könnten.

Der erste Kern der Gemeinschaft bildete sich Mitte der Siebzigerjahre heraus. Die Mitglieder waren verschiedenen Alters und trafen sich mit P. Pancrazio als Leiter. Sie beteten zusammen und tauschten sich aus.
1982 begann P. Pancrazio mit vier Jugendlichen in Terlizzi, einem Dorf in Apulien, in Zusammenarbeit mit seiner Ordensgemeinschaft, den Kapuzinern von Apulien, das Abenteuer der Erfahrung in Christo. Nach sieben Jahren hatte sich die neue Gemeinschaft vergrößert und wurde Franziskanische Gemeinschaft von Betanien genannt. Am 8. Dezember 1998 wurde sie vom Heiligen Stuhl als Institut geweihten Lebens diözesanen Rechts anerkannt. Weiter breitete sich die Präsenz der Gemeinschaft immer mehr in Italien und dann auch im Ausland aus.

Die Spiritualität der Gemeinschaft hat ihren Ursprung in Pater Pios Lebenslauf.

In der Lebensart von Martha und Maria von Betanien können wir die charismatische Erfahrung unserer Gemeinschaft machen, deren Ziel es ist, eine Oase der Spiritualität anzubieten, wo Familien, Jugendliche und alle, die nach Gott suchen, am Gemeinschaftsleben teilnehmen können. Nach Jahren der Erfahrung haben wir gemerkt, dass alle, die unser Leben teilen, den Frieden und die Seelenruhe wiederfinden. Durch unseren Rhythmus des Lebens und der Arbeit, des brüderlichen Austausches und des Gebetes geben wir unseren Gästen die Möglichkeit, Zeiten und Werte der Familie wieder zu ordnen. Der Rhythmus des Gemeinschaftslebens und das gemeinsame Gebet bringt die Familien zu einer positiven Veränderung.
Die Gemeinschaft trifft sich 5 mal am Tag, um zu beten. Fast alle Gestalten des katholischen Gebets werden gefeiert: Die Hl. Messe, das Stundenbuch, die Eucharistische Anbetung, der Rosenkranz und der Lobpreis.

Unser Ablauf des Tages in Deutschland ist so gestaltet:
7 Uhr 25 Rosenkranz
8 Uhr Hl. Messe
8 Uhr 50 Laudes
9 Uhr 15 Frühstück
10 Uhr Arbeit im Haus, im Garten
12 Uhr 45 Die Sexte (Stunde)
13 Uhr Mittagessen
Von 14 Uhr 30 bis 16.30 Stille und Ruhezeit
Von 16 Uhr 30 bis um 18 Uhr Zeit für unser persönliches Gebet und zum Lesen.
18 Uhr Vesper
18 Uhr 30 feiern wir die Hl. Messe.
19 Uhr 30 Abendessen
Von 20 Uhr 30 bis 21 Uhr 30 verbringen wir Zeit miteinander, um zu reden und uns auszutauschen.

Der Tag endet mit Rosenkranz und Komplet. Dann ist die Zeit der Stille.

Am Mittwoch, Freitag und Sonntag stehen wir um 3 Uhr in der Nacht auf, um zu beten.

Täglich stellen wir dadurch fest, dass die Kraft des gehörten Wortes Gottes im Gebet das Leben der Familie erleuchtet.

Durch die Begegnung mit Jesus wird das Verhältnis zwischen dem Ehemann und der Ehefrau verändert. Beide suchen in Folge ihre Entscheidungen durch Jesus und sein Evangelium zu treffen. In der Gastfreundschaft und Geschwisterlichkeit der Gemeinschaft machen die Eltern aber auch die Kinder immer mehr die Erfahrung der Freude der Gemeinschaft mit Gott.

In Italien gibt es schon dutzende von Familien, die zunehmend der Spiritualität der Gemeinschaft folgen.
Mehr als 200 Jugendliche  besuchen unsere jährlichen, nationalen Treffen.

Die Franziskanische Gemeinschaft von Betanien ist nicht nur eine Gemeinschaft von Ordensbrüdern und Schwestern, sondern sie möchte durch ihre Präsenz einen Ort schaffen, wo wir Jesus begegnen können. Im Hören auf die Worte Jesu so wie Maria, regenerieren wir unser Herz und unseren Geist. In der Gastfreundschaft erfahren wir, wie die Liebe Gottes spürbar ist und uns berührt. Angenommen und geliebt zu werden ist eine Erfahrung, die ansteckend ist. Wer diese Erfahrung macht, möchte anderen davon erzählen, damit auch sie die Schönheit der Begegnung mit Jesus erleben können.

Jeden Tag schauen wir auf Maria, die Mutter Gottes, als unsere Mutter, die uns begleitet und uns unterstützt. Sie ist unser  Vorbild für unsere Einheit mit Jesus. Sie ist die Mutter, die uns lehrt, wie wir die Leute empfangen und lieben sollen. Unser Traum ist,  dass unser Kloster in Aschaffenburg ein Haus wird, in dem es möglich ist, durch das Gebet und in der Begegnung von Bruder und Schwester auch die Erfahrung der Begegnung mit Jesus zu machen.

Br. Alberto Onofri FGB