1° Katechese der Erwachsenengruppe von der Franziskanischen Gemeinschaft von Betanien

Liebe Freunde,

wir wollen diese Katechese über die Liebe Gottes mit einer Frage beginnen: Was bedeutet für uns Menschen „die Liebe Gottes“? Oder aber auch, wir haben mehrmals gehört „Gott sei Liebe“, was heißt das? Ich glaube, wenn wir das wirklich verstehen wollen, sollten wir jetzt uns bemühen, in uns hinein schauen und uns fragen: Nach welchem Gott sehnt sich überhaupt unser Herz?

Der Hl. Augustinus hat einmal gesagt, dass unser Leben eine einzige Übung der Sehnsucht ist, uns Gott zu nähern, fähig zu werden, Gott in unser Sein eintreten zu lassen. „Das ganze Leben des eifrigen Christen“- sagt er – „ist heilige Sehnsucht“. (vgl. Tract. In Joh., 4)

Wir werden erst verstehen, was die Liebe Gottes ist, wenn wir unser Verlangen, unsere Sehnsucht nach Gott in uns entdecken und wahrnehmen und auf sie achtgeben. Wenn wir aufpassen, wachsam und aufmerksam sind, dann finden wir die Antwort in uns. Wir werden merken, dass Gott uns in Wahrheit ausschließlich interessiert, weil er der einzige ist, der unser Bedürfnis nach Liebe ganz erfüllen kann. Wir suchen Gott, wir wollen Gott, wir ersehnen Gott, wir glauben zuletzt an Gott, aus dem einen Grund, weil er Liebe ist.

Einige (nicht alle) Menschen sind in ihren Liebesbeziehungen stark verletzt worden. Sie sind betrogen worden und nicht so geliebt worden, wie sie es sich gewünscht hätten. Da sie die Erfahrung der Liebe nicht besitzen, haben sie die Hoffnung verloren, dass Gott überhaupt Liebe sein könnte, und somit brauchen sie Gott nicht, weil schlussendlich, Gott für sie nicht Liebe ist, nicht Liebe sein kann. Mit anderen Worten: Was soll ich mit einem Gott anfangen, der nicht Liebe ist? Ich brauche ihn nicht, er kann mir nicht helfen, und so kommen sie zu der Schlussfolgerung „Gott existiert nicht“.

Wir können nun sagen, Gott interessiert uns, weil er Liebe ist und demzufolge wir brauchen wir diese Liebe, weil sie uns erfüllt. Irgendwie stillt sie unser Hauptverlangen nach Liebe und macht uns vollständig in unseren Menschsein.

Das Wort, das die gesamte christliche Offenbarung zusammenfasst, lautet: „Gott ist die Liebe“ (1 Joh 4,8.16). Die Liebe ist immer ein Geheimnis, eine Wirklichkeit, die unseren Verstand überschreitet. Sie steht aber dabei nicht im Widerspruch zu ihm, sondern bringt seine Fähigkeiten voll zur Entfaltung. Unsere Vernunft hat Wissenslücken, leere Stellen. Lücken, die das Verständnis von der ganzen Wirklichkeit, von dem eigentlichen Sinn des Lebens verhindern. Nur mit der Liebe und durch die Liebe kann unser Verstand das Weltall, die Existenz, den Lebenssinn, und schlussendlich unsere Person und Gott erfassen. Die Liebe wirkt wie eine Leuchte im Dunkel des Unverständlichen, des Finsteren und des Unerklärlichen. Für unsere Vernunft ist die Liebe, die Erfahrung der Liebe, kein Zubehör, sondern etwas Wesentliches für ihre integrale Entfaltung.

Wer sich geliebt fühlt und Liebe schenkt, wird dadurch, dass er liebt, auf eine bestimmte Art vernünftiger, intelligenter. Er kann Gegenstände, Realitäten, Situationen begreifen, intuitiv erfassen, vorausahnen, durchschauen und verstehen, die ohne Liebe unverständlich sind, unfassbar wären. Wer liebt, ist in der Lage, die Nöte, Bedürfnisse, Bedrängnisse und Gefahren seines Nächsten zu spüren und zu erahnen. Liebe hat die Fähigkeit, Wirklichkeiten zu verstehen, die die reine Vernunft und Intelligenz nicht verstehen kann.

Der Schriftsteller Antoine de Ste. Exupéry schreibt in seinem Werk „Der kleine Prinz“:  „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar“.

Der Philosoph Pascal schreibt in seinem Werk „Pensiere“: „Das Herz kennt Einsichten, die die Vernunft selber nicht kennt und nicht kennen kann“.

Die Liebe ist die Antwort auf die Fragen, die wir in unserem Innersten entdecken, wie: Weshalb gibt es das Leben, die Existenz? Woher komme ich? Wo werde ich hingehen? Warum gibt es das Leiden, den Tod? Und auf Gottes Seite: Warum gibt es die Schöpfung, die Rettung, die Erlösung, die Heiligung? Die Antwort lautet immer ,,aus Liebe“!!

Diese Fragen kann man nicht ausschließlich intellektuell beantworten. Denn ohne Liebe kann sich der Mensch nicht verstehen, und das Leben ist absurd.

In Gott, der selber Liebe ist, finden wir die Antwort.

Jesus hat uns schlussendlich ganz einfach das Mysterium Gottes enthüllt, der Liebe ist: Er, der Sohn, hat uns den Vater im Himmel erkennen lassen und uns den Heiligen Geist, die Liebe des Vaters und des Sohnes, geschenkt. Die christliche Theologie fasst die Wahrheit über Gott in diesem Begriff zusammen: ein einziges Wesen in drei Personen. In kurzen Worten: Gott ist nicht Einsamkeit, sondern vollkommene Gemeinschaft. Deshalb verwirklicht sich der Mensch als Abbild Gottes in der Liebe, die aufrichtige Selbsthingabe ist.

In der Genesis heißt es nachdem Gott den Menschen geschaffen hat: “Und Gott sah alles an, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut“. Das zeigt uns das Wesen der Liebe. Wenn ich jemanden liebe, dann sage ich ihm nichts anderes als: „es ist sehr gut, dass es dich gibt; schön, dass es dich gibt. Es ist ein Gut, ein Wohl, ein Glück, schlussendlich ein Segen, dass du existierst. Brüder und Schwestern, wir sind erschaffen worden aus Liebe und wir verwirklichen uns in der Liebe.

Die Quelle der menschlichen Freude, d.h. die reale Freude, ist diese Gewissheit, von Gott geliebt zu sein, persönlich von unserem Schöpfer geliebt zu sein, von Ihm, der das ganze Universum in seinen Händen hält und jeden von uns und die ganze Menschheitsfamilie liebt, mit leidenschaftlicher und treuer Liebe, einer Liebe, die grösser ist als unsere Treulosigkeit und Sünden. Wir sind nicht das zufällige Produkt der Evolution, sondern jeder von uns ist tief geliebt, jeder von uns ist Frucht eines Gedanken Gottes, jeder von uns ist gewollt und gebraucht. Diese Liebe „ist so groß, dass sie Gott gegen sich selbst wendet“, was endgültig im Geheimnis des Kreuzes zum Ausdruck kommt: „Gott liebt den Menschen so, dass er selbst Mensch wird, ihm nachgeht bis in den Tod hinein und auf diese Weise Gerechtigkeit und Liebe versöhnt“ (Deus caritas est, 10).

Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit die Menschen gerettet werden (vgl. Joh 3,16). Genauer gesagt, der Sohn Gottes hat sich verwundbar gemacht, indem er wie ein Sklave wurde, gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz (vgl. Phil 2,7-8). Durch sein Kreuz sind wir erlöst.

Brüder und Schwestern, auch die Erlösung ist eine implizite Dimension der Liebe. Der Mensch braucht Liebe, weil er Erlösung braucht. Was heißt das? Die jüngsten Ergebnisse der zeitgemäßen Geisteswissenschaften wie Psychologie, Pädagogik, Soziologie und Philosophie gehen alle, mehr oder weniger, in dieselbe Richtung. Sie kommen zu der Aussage, dass der Mensch sich in einer Dimension der Transzendenz erfüllt. In einfacheren Worten, in einer Dimension, die unser „Ich“ übersteigt, wird der Mensch zum Menschen, wird zu sich selber. Er verwirklicht sich, indem er sich für einen Wert einsetzt, sich einem Werk opfert und widmet, das „irgendwie“ seine Fähigkeiten übersteigt. Es ist interessant, wie die Wissenschaft diese Wahrheit immer mehr als natürliche Gegebenheit des Menschen betrachtet.

In einer christlichen Perspektive realisiert sich der Mensch ebenfalls in einer Dimension der Transzendenz, im Besonderen, indem er den wichtigsten Wert seines Lebens umarmt, Jesus, und indem er sich ganz dem Werk Jesus und seiner Botschaft widmet. In anderen Worten bedeutet das für uns: Umkehr, Kampf gegen unser Ego für die Liebe Gottes und die Nächstenliebe. All das bedeutet, unser „Ich“ zu verlassen, um sich etwas zu widmen, das unser Sein übersteigt. Denn was Jesus uns anbietet, überschreitet unsere Person, jedoch erfüllt es sie.

Anscheinend –bis zu diesem Punkt- sieht es so aus, als kämen wir in einen Widerspruch hinein. Das, was uns wirklich erfüllt, überschreitet unsere Fähigkeiten, unser Können.

Wer kann nun uns aus diesem Dilemma befreien oder wie gesagt erlösen?

Man befürwortet in der theologischen Anthropologie, ein Gebiet der dogmatischen Theologie, dass die Natur des Menschen eine übernatürliche Bestimmung durchscheinen lässt, in der gleichen Zeit aber nicht die Fähigkeit hat, sie von sich aus zu erreichen. Der Grund dafür ist, dass der Mensch in der „Natur“ beginnt und sich im „Übernatürlichen“  vollendet. In kurzen Worten: Im Gegensatz zu den anderen Lebewesen, die das Potenzial, sich zu vollenden, in sich selber besitzen, so wie z.B. – ein Apfelbaum, der sein Ziel erreicht, indem er Äpfel produziert, oder eine Katze, indem  sie sich wie eine Katze benimmt – muss der Mensch eine Hilfe bekommen, die von außen kommt, genauer, aus dem „übernatürlichen Bereich“ (Gott oder seine Gnade), um sich zu bestimmen, um vollkommen Mensch zu werden. Das aus dem einfachen Grund, weil der Mensch hauptsächlich die Ewigkeit ersehnt, und die Ewigkeit ist nicht in uns, sondern in Gott, es ist Gott selber. Der Mensch braucht, um sich zu bestimmen, zu vollbringen, eine Kraft die von „oben“ kommt, vom Himmel.

Jesus sagte: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird.“ (Apg 1,8). Diese Sehnsucht nach Unendlichkeit, die den Menschen spezifisch charakterisiert, wird erfüllt durch die Gabe des Heiligen Geistes.

Brüder und Schwestern, was ist der Hl. Geist, wenn nicht die reine Liebe Gottes? Es ist die Liebe Gottes, durch Jesus und den Hl. Geist vergegenwärtigt, die uns aus diesem Konflikt, aus diesem Widerspruch des „sich sehnen und nicht können“ befreit!

In der Geschichte versucht der Mensch dieses Bedürfnis nach Erlösung oft durch Gewalt zu erfüllen. Diese Sehnsucht nach Ewigkeit mit Falschem zu füllen: durch Geld, Macht, und allerlei Ausbeutungen, die man nur mit den verschiedenen Arten und Weisen von Gewalt erhalten kann. Aber nicht die Gewalt erlöst, sondern die Liebe. Sie ist das Zeichen Gottes, der selbst die Liebe ist. Und diese Liebe hat eine Besonderheit: die Geduld. Wie oft wünschten wir, dass Gott sich stärker zeigen würde. Dass er dreinschlagen würde, das Böse ausrottet und die bessere Welt schafft. Alle Ideologien der Gewalt rechtfertigen sich mit diesen Motiven: Es müsse auf solche Weise zerstört werden, was dem Fortschritt und der Befreiung der Menschheit entgegenstehe.

Irgendwie leiden wir alle unter der Geduld Gottes. Und doch brauchen wir sie alle. Der Gott, der Lamm wurde, sagt es uns: Die Welt wird durch den Gekreuzigten und nicht durch die Kreuziger erlöst. Das ist eine tiefe Wahrheit der Liebe, die sehr schwierig zu verstehen und zu akzeptieren ist.

Wir wollen jetzt den ersten Teil der Katechese kurz zusammenfassen und uns aus dieser Zusammenfassung heraus in den zweiten Teil einlesen:

Gott ist schlechthin die Liebe (1 Joh. 4,8.16) – nicht die Gerechtigkeit! Gewiss, er kennt auch Gerechtigkeit, aber sein Wesen ist und bleibt Liebe. Gott ist Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm (1 Joh 4,16). Was hat uns das alles zu sagen, liebe Brüder und Schwestern? Dazu müssen wir uns fragen: Weshalb hat der liebe Gott die Welt erschaffen? Weshalb hat er mich ins Dasein gerufen? Die große Antwort, die der Heilige Geist in uns neu anzündet und entzündet, heißt: Gott hat mich erschaffen, damit er einen Gegenstand, ein Objekt hat, das er lieben kann! So stark ist Gott, schlechthin die Liebe! Er hat mich erschaffen, damit er mich lieben kann mit unendlicher Liebe. Er hat mich erschaffen, damit ich lieben lerne: Lieben lerne in ihm und mit ihm, und liebe, wie er liebt. Das ist der große Sinn meines Lebens. So darf ich mir deswegen den Sinn meines Seins vorstellen: Aus der ewigen Liebe hinein in die ewige Liebe! In einen Liebesstrom hineingezogen, so stehe ich da. Hineingezogen! Und ich darf alle Stationen, Phasen passieren, die in diesem Liebesstrom zu signalisieren sind. Lieben soll ich lernen, reifen in der Liebe, heranreifen in der Liebe. Dafür bin ich da! Lieben soll ich! So soll ich lieben lernen. Alle Grade der Liebe soll ich passieren lernen, angefangen von der primitivsten Liebe bis empor zu der ausgereiften Liebe. Reif werden, reif in der Liebe, das ist der Sinn unseres Lebens!

Wir wollen uns jetzt in den zweiten Teil der Katechese vertiefen, indem wir uns die Grade der Liebe, sozusagen die Phasen der Liebe genauer anschauen, so dass wir uns bewusst machen, worin sie besteht. Dieser zweite Teil ist existenzieller als der erste.

Wir wollen es tun, indem wir eine Liebesbeziehung analysieren und uns Folgendes anschauen: Wie entsteht Liebe? Wie wächst die Liebe und welches sind die Dynamiken, die sich in einer Liebesbeziehung offenbaren.

Als Schema nehmen wir die eheliche Liebe, weil in der Vielfalt der Liebesbeziehungen die Liebe zwischen Mann und Frau als der Urtypus von Liebe schlechthin erscheint.

Ich schlage eine Einteilung vor, die aus fünf Phasen besteht. Manche Autoren schlagen drei Phasen vor, andere sechs, andere vier, es ist streitig, diskutabel, wir bleiben bei fünf. Was für uns zählt und wichtig ist, ist nicht die Anzahl der Phasen sondern der Inhalt.

1)Erste Phase: Aufmerksamkeit, Verliebtheit

Giovani-fidanzati„Wie sich ein Bräutigam freut über die Braut, so wird sich dein Gott über dich freuen“ (Jes 62,5)

„So spricht der Herr: Ich denke an deine Jugendtreue, an die Liebe deiner Brautzeit, wie du mir in der Wüste gefolgt bist“ (Jer 2,2)

Die erste Phase jeder Liebe ist die Verliebtheitsphase. In dieser Phase trägt man die sogenannte rosarote Brille, hat Schmetterlinge im Bauch und schwebt auf Wolke Nummer sieben. Unsere Partnerin bzw. unser Partner erscheint uns in dieser Phase fast vollkommen, und wir erkennen keine Schattenseiten an ihr bzw. ihm. Wir sind sozusagen blind vor Liebe. Wir umgeben unseren Partner immer wieder mit Aufmerksamkeiten.

Alles ist neu und aufregend. Der neue Partner will entdeckt werden und man selbst wird ebenfalls zu einem Ziel wohltuenden Erkundungsinteresses, das in dem Wunsch nach symbiotischer Verschmelzung gipfelt. Um die erahnten Erwartungen des Anderen nicht zu enttäuschen, erreicht in dieser Phase die eigene Veränderungsbereitschaft ungeahnte Höhen.

Verliebtheits-Phasen sind auch Wachstumsphasen. Manchmal gelingt es uns nur durch diese Art von Aufbruch und Neuanfang Veränderungen zu erreichen, die wir uns vorher selbst nicht mehr zugetraut haben. Und es hat auch Gründe, warum wir unsere Sehnsüchte gerade auf diesen Mensch projizieren und nicht auf einen anderen. Meist bringt er einen Ton in uns zum Klingen, den wir selbst schon lange nicht mehr vernommen haben. Hierdurch wird in der Anfangsphase der Verliebtheit oft ein emotionales Fundament gelegt, das eine wichtige Ressource für die spätere Partnerliebe sowie für die Überwindung von Krisen sein kann.

Diese Phase ist sehr endscheidend für die spätere Stabilität der Partnerschaft, denn hier wächst das Paar zusammen.

Im Umkehrprozess erleben wir auch mit Gott etwas Ähnliches. Als Gott sich in unserem Leben das erste Mal auf eigenartige Art und Weise offenbart hat, vielleicht durch ein übernatürliches Ereignis, durch eine starke Liebeserfahrung oder ganz einfach durch eine tiefe Bestimmtheit, Gewissheit seiner Liebe und seiner Gegenwart, sind wir total in diese Verliebtheit eingetreten.

Typisch in dieser Phase ist die Leichtigkeit, man hat das Gefühl, als ob man in der Luft fliegen würde. Aus diesem Grunde ist man in diesem Moment bereit, seine ganze Existenz zu verändern. Das ist auch das Ziel der Liebe: unsere Veränderung. Es sollte eine Art Wandlung in uns passieren. Die Verliebtheit ist so stark, dass wir die Kraft besitzen, die uns zur Selbständerung bringt. Denn wer das Weltall erschaffen hat, genau der denkt an mich. Vielleicht hatte ich wie noch nie ich einen Grund um freudig zu sein, „im Grunde ist das Leben doch schön“ sind die Gedanken in dieser Phase.

2) Zweite Phase: Phantasie

»Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so lechzt meine Seele, Gott, nach dir. Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Wann darf ich kommen und Gottes Antlitz schauen? « (Ps 42,2-3).

Es wird eine Sehnsucht nach Begegnung und Beziehung gebildet. In der Meditation wächst die Liebe von selbst. In der Phantasie geschieht aber kein wirkliches Leben. Hier befinde ich mich bei Trugbildern, Luftschlössern, Ideen und Idealen. Wenn die Phantasie einmal angestoßen ist, dann geht die Verliebtheit eigene, individuelle Wege. Sie baut sich im Denken auf und wird durch das Denken gesteigert. Die Phantasie weicht aber von der Realität ab. Sie konstruiert einen Menschen, der in dieser Art nicht der wirklichen Person entspricht, die unsere Aufmerksamkeit erregt hat. Es ist nicht immer zu vermeiden dass die Enttäuschung sich meist sehr schnell einstellt, wenn sich die reale Beziehung entwickelt.

Eigentlich, auch wenn es meistens die Neigung hat, im Irrealen zu landen, ist diese Phase sehr wichtig. Sie muss so sein, weil nur so eine Sehnsucht nach Begegnung und Beziehung gebildet wird, die irgendwie Wurzel schlägt und uns in die Beziehung immer neu hineinzieht.

Unbestritten, dass Gott real ist, die Beziehung mit Gott echt ist, das ist ohne weiteres klar. Aber in dieser Phase der Liebesbeziehung mit Gott passiert, dass man sich eigene und persönliche Erwartungen Gott gegenüber kreiert, die nicht unserer tatsächlichen Freude entsprechen, und das aus dem einfachen Grund, weil wir unsere Person noch nicht richtig kennen.

In jedem Fall ist dies die Phase der Sehnsucht. Diese Sehnsucht wird uns „ausdrücklich“ und klar bewusst. Und in dieser Phase wird uns zweifellos bewusst, dass nur Gott uns wirklich erfüllen kann, so wie der Katechismus es sagt „Nur in Gott wird der Mensch die Wahrheit und das Glück finden, wonach er unablässig sucht“, (KKK 28).

3) Dritte Phase: Selbsterkenntnis und Selbstverwirklichung, die Fülle der Freude des Hochzeitstags

,,Da kam ich an dir vorüber und sah dich, und siehe, deine Zeit war gekommen, die Zeit der Liebe. Ich breitete meinen Mantel über dich und bedeckte deine Nacktheit. Ich leistete dir den Eid und ging mit dir einen Bund ein – Spruch Gottes, des Herrn – und du wurdest mein“. (Ez, 16,8)

Der andere sagt mir durch die verschiedenen Sprachen der Gestik und der Worte, wie er mich empfindet, was er von mir hält, wer ich für ihn bin. Jede Zärtlichkeit, jede Gestik der Liebe, jedes Wort der Anerkennung schmeichelt meinem Bedürfnis nach Selbstwert und Sinn. Die Liebe des anderen gibt mir Kraft und bestätigt den Sinn meiner Existenz. Es ergibt sich eine positive Selbsterkenntnis, die glücklich macht.

Irgendwie habe ich jetzt verstanden, was ich auf dieser Erde tue. Ich habe begriffen, welche Richtung ich meinem Leben geben soll. Das ist die Phase der Liebe, in der man wichtige Entscheidungen trifft. Das ist z. B. die Phase, wo das Bewusstsein der Berufung reif wird. „Ja!! Das ist es, das will ich mein Leben lang!!“ Die Liebe gibt meinem Leben ein deutliches Gesicht, eine deutliche Richtung, eine konkrete Biegung.

4) Vierte Phase: Die Krise, das Drama  des Abbruchs.   

,,Sie ist nicht meine Frau und ich bin nicht ihr Mann. Sie soll von ihrem Gesicht das Dirnenzeichen entfernen und von ihren Brüsten die Male des Ehebruchs.“ (Hos 2,4)

Wenn die enthusiastische, begeisterte Zeit vorbei ist, kommt man in Gegebenheiten hinein, in denen man keine Ruhe findet und von einer Enttäuschung zur anderen gelangt. Man ist nicht mehr alleine sondern zu zweit. Wir merken, dass es nicht einfach ist, den Prozess vom Alleinsein zur Zweisamkeit zu verstehen und zu durchdringen und dass es auch schmerzlich sein  kann. Es wird einem immer bewusster, dass das gegenseitige Anpassen und das Gemeinschaftsprojekt gemeinsam vorwärts zu bringen zwar schön ist, aber es kostet. Es kostet, sein eigenes „Ich“ zu verlassen und das „Wir“ zu erfassen.

Die Krise ist somit gesetzmäßig in der Zweierbeziehung vorprogrammiert. Die Liebe ist eine endgültige Entscheidung, die Ausschließlichkeit und Endgültigkeit einschließt. Es könnte mir so scheinen, als ob ich mich in Unfreiheit und Enge fühlen würde. Auch wenn es in Wahrheit nicht so ist. Wir fühlen es so, weil wir noch nicht verstanden haben, dass das Lieben eine Gelegenheit ist, unsere Person zu vervollständigen und das bedeutet auch Reinigung durch Leid und Schmerz. Daher kommt unser Konflikt. Viele wollen diese Reinigung nicht akzeptieren.

Durch diesen Reinigungsprozess, der uns meistens nicht bewusst ist, kommt es zu Unzufriedenheit aufgrund von zufälligen Ereignissen. Es genügen kleine Widersprüche, die die Beziehung belasten, sodass die Beziehungszufriedenheit entsprechend abnimmt. Im Extremfall ist die bisherige Form der Beziehung nicht mehr auf dieselbe Weise lebbar oder sollte mindestens existentiell hinterfragt werden.

Doch ist die Beziehungskrise als Lebenskrise ein Wende- und Entscheidungsmoment für die Partnerschaft. Einerseits besteht die Gefahr des Scheiterns der Partnerschaft (meistens passieren in diesem Moment Untreue, Verlangen nach Scheidung), zugleich aber bietet die Krisenzeit die Chance, die Beziehung neu auszurichten. Es besteht die Möglichkeit eines neuen Erlebens, einer neuen Qualität der Partnerschaft, die zu einer wachsenden, echten und realen, stabilisierenden Zufriedenheit führen kann. Sicher aber ist das Ergebnis für einen oder auch beide Partner, dass die Bedingungen des gemeinsamen Miteinander nicht mehr wie bisher fortgesetzt werden können. Das Erleben und Bestehen von Ehekrisen hat nachweislich förderliche Wirkungen auf die weitere Entwicklung der Partnerschaft und für deren Fortbestand. Somit sind Ehe- und Beziehungskrisen als Krisen des Beziehungsverhältnisses der beiden Partner meist notwendige Reifungskrisen der Partnerschaft und der Partner selbst.

Besser gesagt, die Krise ist notwendig, um die Beziehung zu vertiefen, zu verbessern und um zu reifen als Ehepaar und als einzelne Person.

Auch in der Beziehung mit Gott passiert etwas Ähnliches. Am Anfang unserer Bekehrung sind wir leichtfüßig und flink Jesu nachgerannt, mit der Zeit aber beginnen die Füße weh zu tun. Bei den ersten Schwierigkeiten nimmt die Begeisterung ab, die alten weltlichen und sündigen Leidenschaften tauchen wieder auf, und wir stehen vor einer Abzweigung: Was soll ich tun? Ich weiß zwar, dass nur Jesus mich erfüllen kann, aber ich verspüre meine ganze Schwäche, Jesus treu zu bleiben. Und ja … die Untreue lässt sich bald bei uns sehen. Wir geraten in eine Krise. Wenn wir uns die Männer und Frauen in der Bibel ansehen, dann merken wir, dass alle Gottesmänner und Frauen früher oder später in diese Krise eintreten.

Gott lässt zu, dass wir unsere Schwächen wahrnehmen und erkennen, sodass sie uns bewusst werden und wir uns tiefer Demut finden. In dem wir um seine Hilfe bitten und infolgedessen seine immense Liebe erfahren, dürfen wir die Erfahrung der Versöhnung und der geistlichen Auferstehung erleben.

Aber liebe Freunde, um diese Phase durchzustehen, braucht man Mut. Den Mut, vor der blutenden Wahrheit von uns selbst zu stehen, und Mut, wieder neu anzufangen. Das bedeutet, Demut und Liebe und noch mehr Liebe als bisher. Denn der Konflikt an sich ist nicht negativ, sondern notwendig, um die Liebe zu vertiefen.

Leider sind nicht alle bereit, diesen Weg zu gehen und daher scheitern sie. Scheitern in der Ehe, in der Berufung, in der Beziehung mit Gott. Doch wer sich entscheidet, in diesem Konflikt zu bleiben, ihn auszutragen und zu verarbeiten, indem er die entsprechende Einstellung entwickelt, der landet in der fünften Phase. Im Konflikt zu bleiben mit der entsprechenden Haltung, die Krise zu überwinden, ist eigentlich das Vorgehen schlechthin, das zur inneren Reinigung führt.

5) Fünfte Phase: die Vertiefung. die Neugeburt, das Wiederaufleben voller Hoffnung

File1429„Darum will ich selbst sie verlocken. Ich will sie in die Wüste hinausführen und sie umwerben. (Hos 2,16) Einen Augenblick nur verbarg ich vor dir mein Gesicht in aufwallendem Zorn; aber mit ewiger Huld habe ich Erbarmen mit dir, spricht dein Erlöser, der Herr“. (Jes 54, 8)

Die fünfte Phase einer Liebesbeziehung ist deshalb die interessanteste Phase, weil sich in ihr das Schicksal einer Beziehung entscheidet. Die Reife ist für die fünfte Phase dann entwickelt, wenn man bereit ist, bedinungslos zu lieben. Es kann auch geschehen, dass man manchmal in Einsamkeit kommt. Es ist offenbar, dass in einer Ehebeziehung gewisse Bedinungen unentbehrlich sind, das ist kein Thema, über die will ich gar nicht sprechen, aber es gibt Momente, in denen der Ehepartner vielleicht mit etwas persönlichem beschäftigt ist oder eine schwierige Phase erlebt, die unabhängig ist von der Ehebeziehung. Dann sollte man bedingungslos lieben, trotz unserer Schwächen. Wir können nun sagen:  Die fünfte Phase besteht aus „bedingungslosem Lieben trotz unserer Schwächen“.

Jeder von uns strebt nach Vertiefung in der Liebe, aber wir sind nicht immer bereit, diese „bedingungslose“ Art und Weise zu leben. Es braucht nämlich grenzenloses Vertrauen, um aus diesem Blickwinkel zu leben. Es ist zwar das Schönste, aber die Angst der Versuchung, dass diese Liebe nicht vergolten wird, steht immer hinter der Tür. Die Vertiefung kann „ irgendwie“ nur zwanglos erfolgen, d. h. ich muss es wollen.

Diese Phase geschieht auch in der Beziehung mit Gott. Die einzige Differenz ist die, dass Jesus uns in der Beziehung mit ihm vorangeht. Die Gnade Gottes geht uns immer voran. Das ist die Erfahrung des Petrus am Ufer des Sees von Tiberias. Petrus ist vielleicht der Jünger gewesen, dessen Begeisterung in der Nachfolge Jesu am größten war und doch hat er vor der Verhaftung Jesu seine ganze Schwäche verspürt, als er ihn verleugnete. Nachdem Jesus nicht mehr da war, sieht es so aus in der Überlieferung des Johannes, dass Petrus nicht mehr an seine Berufung glaubte. Jesus hatte ihm gesagt, er mache aus ihm einen Menschenfischer, doch im Johannesevangelium im Kap. 21 geht Petrus wieder fischen, als wäre er Jesus nie begegnet: „kommt wir gehen fischen“ hatte er zu seinen Freunden gesagt.

Aber an diesem Frühlingsmorgen wird ihm die Sendung, Menschenfischer zu sein, erneut bestätigt und bekräftigt vom auferstandenen Jesus. Gott überrascht uns genau dann, wenn wir es nicht erwarten.

Petrus hat es gewollt, er hat Jesus neu vertraut. Meine Schwächen können mich nicht daran hindern zu lieben. Wir wissen ja, was geschehen ist im Gespräch zwischen Jesus und Petrus:

Jesus fragt Petrus beim ersten Mal: »Simon…, liebst du mich mehr als diese (agapâs-me)«? Vor der Erfahrung des Verrates hätte der Apostel sicherlich gesagt: »Ich liebe dich (agapô-se) mehr als alles andere«. Jetzt, da er die bittere Traurigkeit der Untreue, das Drama der eigenen Schwäche kennengelernt hat, sagt er voll Demut: »Herr, ich habe dich lieb (philô-se)«, das heißt: »Ich liebe dich mit meiner armseligen menschlichen Liebe«. Christus fragt noch einmal: »Simon, liebst du mich mit dieser allumfassenden Liebe, die ich will? « Und Petrus wiederholt die Antwort seiner demütigen menschlichen Liebe: »Kyrie, philô-se«, »Herr, ich habe dich lieb, so wie ich liebzuhaben vermag«. Beim dritten Mal sagt Jesus zu Simon nur: »Phileîs-me?«, »Hast du mich lieb?«. Simon versteht, dass Jesus seine armselige Liebe genügt, die einzige, zu der er fähig ist. Deshalb antwortet er ihm: »Herr, du weißt alles; du weißt, dass ich dich lieb habe (philô-se)«. Man möchte fast sagen, dass Jesus sich eher an Petrus angepasst hat als Petrus an Jesus! Gerade dieses göttliche Anpassen schenkt dem Jünger, der das Leid der Untreue kennengelernt hat, Hoffnung. Daraus erwächst das Vertrauen, das ihn zur Nachfolge bis ans Ende fähig macht.

Von jenem Tag an folgte Petrus dem Meister mit dem klaren Bewusstsein der eigenen Schwäche. Aber dieses Bewusstsein hat ihn nicht entmutigt. Er wusste nämlich, dass er auf die Gegenwart des Auferstandenen an seiner Seite zählen konnte. Vom naiven Enthusiasmus der anfänglichen Zustimmung über die schmerzhafte Erfahrung der Verleugnung und die Tränen der Bekehrung ist Petrus dahin gelangt, sich jenem Jesus anzuvertrauen, der sich seiner armseligen Liebesfähigkeit angepasst hat.

Und so zeigt er auch uns den Weg, ungeachtet all unserer Schwäche. Wir wissen, dass Jesus sich unserer Schwäche anpasst. Wir folgen ihm mit unserer armseligen Liebesfähigkeit und wissen, dass Jesus gut ist und uns annimmt. Genau so liebt uns Gott. Wir werden seine Liebe in dem Maß empfangen, wie wir bereit sind, trotz unseren Schwächen zu lieben und Jesus nachzufolgen. Es war für Petrus ein langer Weg, der ihn zu einem zuverlässigen Zeugen gemacht hat, zum »Felsen« der Kirche, weil er ständig für das Wirken des Geistes Jesu offen war.

Liebe Brüder und Schwestern…

Wir wollen diese Katechese abschließen mit Worten des Benedikt XVI: „Die Erfahrung menschlicher Liebe öffnet eine neue Perspektive. In der Liebe übersteigt der Mensch sich selbst, „aus dem in sich verschlossenen Ich zur Hingabe und so gerade zur Selbstfindung, zur Findung Gottes“.

Es ist allerdings eine Bereitschaft des Herzens, eine innere Reinigung des Willens nötig, damit wir das Gute, das wir für uns selber wollen, für den anderen wollen, und so aus uns heraus und über uns hinaus zum Ganzen und letztlich zu Gott selbst hin finden.

Das heißt, dass wir uns nie zufrieden geben mit dem schon Erreichten, weil wir wissen, dass nichts Endliches unser Herz erfüllen kann, sondern nur die „himmlische Berufung, die Gott uns in Christus Jesus schenkt“ (Phil 3, 14). Und schließlich braucht es die Reinigung und Heiligung unseres menschlichen Verlangens, um mehr Abbild Gottes zu sein und im Einklang mit dem Willen des Vaters zu leben. So zeigt sich uns der Weg zu Gott, der mit einer inneren Unruhe anfängt, mit der Erfahrung des Schönen und Guten weiter führt, uns dann selber zur Reinigung zwingt, über uns hinaus führt und den Weg zu Gott selbst hin öffnet, der seine Hand zu uns hin ausstreckt und in Christus uns entgegen geht und uns zu sich hinauf zieht“. (Deus Caritas est, nr. 6)

Das ist das Ziel des Liebesabenteuer mit Gott, viel Erfolg!!!!!

Br. Nicola Curcio